
Sifu Niko Parlamentas
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Nachruf Niko Parlamentas
Vor vielen Jahren erhielt ich einen Anruf von einer mir völlig unbekannten Nummer.
Als ich abhob, hörte ich eine Stimme sagen:
„Thommy? Hier ist der Niko. Ich bin ein Freund von Marcus, und Marcus meint, du hast was drauf. Ich will mal sehen, ob das stimmt. Wollen wir uns mal treffen und ein bisschen kloppen?“
Ich war ehrlich gesagt leicht konsterniert – und frage mich bis heute, warum ich damals zustimmte.
Ich hatte bereits von Niko gehört: Er war als harter Türsteher und gefürchteter Ausbilder einer benachbarten Wing-Chun-Schule bekannt.
Mit gemischten Gefühlen machte ich mich also auf den Weg zum Treffpunkt – der Langenfelder Wing Tsjun-Akademie.
Dort stand er: groß, muskulös, glatzköpfig – mit einem frechen Grinsen im Gesicht.
Wir verloren keine Zeit und einigten uns darauf, ein freies Chi Sao miteinander zu machen.
Nach ein paar Minuten hatte er eine aufgeplatzte Lippe, dann eine dicke Nase – und unverschämt viel Spaß.
Als der Austausch etwas intensiver wurde, stoppte er plötzlich, grinste und sagte:
„Ok, ok, ok – bist ein guter Mann! Wo kann ich mich anmelden?“
Diese skurrile Geschichte erzählte er in den folgenden Jahren immer wieder – und wir wuchsen zusammen.
Er, der große, starke Niko, wurde von mir liebevoll „mein kleines Känguru“ genannt – und genau so meldete er sich auch bei mir.
Wie kaum ein anderer verstand es Niko, sich mit einem riesigen Herzen, einem komplexen Charakter, unwiderstehlichem Charme und außergewöhnlicher Hilfsbereitschaft in unsere WTI-Gemeinschaft einzubringen.
Er gewann die Herzen all jener, die das Glück hatten, hinter seine manchmal raue Fassade blicken zu dürfen.
Auch unsere internationale SummerCamp-Crew wird sich mit Freude an ihn erinnern – „MORE POWER!!!“
Für mich wurde er zu einem engen Freund. Jemand, mit dem man gerade dann reden konnte, wenn es einem nicht gut ging.
Was mich besonders an ihm beeindruckte, war sein unerschütterlicher Kampfgeist – und seine Fähigkeit zu vergeben.
Wo andere sich zurückziehen oder Probleme totschweigen, suchte Niko das offene Gespräch – zumindest mit mir.
Ich erinnere mich nicht mehr an alle Details, aber es gab eine Situation, in der er mit meinem Verhalten unzufrieden war.
Statt beleidigt zu sein oder hinter meinem Rücken zu reden – was ich in meiner Rolle als Verbandsleiter durchaus kenne – rief er mich an.
Wir trafen uns, und er sagte mir ganz direkt, was er von meinem Verhalten hielt.
Doch das war nicht das Ende unserer Freundschaft, sondern eine Vertiefung.
Ich konnte über das Gesagte nachdenken, mich entschuldigen – und er nahm es nicht nur an, sondern sprach nie wieder darüber.
Im Gegenteil: Danach arbeiteten wir enger zusammen als je zuvor.
Als Schulleiter der WT-Akademie in Haan unterrichtete er Generationen von Kung-Fu-Schülerinnen und -Schülern.
Er führte viele Kinder bis zum Junior-Schwarzgurt – und darüber hinaus.
Für seine Schüler tat er alles. So sehr, dass viele von ihnen ihn noch heute liebevoll als ihren „Adoptiv-Papa“ bezeichnen.
Niko war dafür berüchtigt, einfach mal so im WTI Head Office auf einen Kaffee vorbeizuschauen – so oft, dass ich es irgendwann augenzwinkernd unterbinden musste, mit dem Hinweis, dass wir dort auch ein bisschen arbeiten müssten.
Also fuhr er stattdessen regelmäßig bei meinen Eltern vorbei – sehr zu deren Freude, bis zuletzt.
Dann kam der Schock: Niko hatte Krebs.
Diese schwere Zeit veränderte ihn in vielerlei Hinsicht.
Er wurde reflektierter, ausgeglichener – und ich hatte oft die Gelegenheit, mit ihm über Gesundheit, das Leben und die Liebe zu sprechen.
Unsere Gespräche wurden tiefer. Ehrlicher. Menschlicher.
Es wäre allerdings nicht Niko gewesen, wenn er dem Krebs nicht den Mittelfinger gezeigt und ihn besiegt hätte – und genau das tat er.
Auch wenn diese Zeit zweifellos unglaublich schwer für ihn gewesen sein muss.
Nach seiner Genesung standen wir während der Coronazeit rund zwei Jahre lang gemeinsam vor der Kamera – im Rahmen unserer WT-Master Class.
Gemeinsam unterrichteten wir Wing-Tsjun-Enthusiasten aus aller Welt.
Dieses Engagement führte zu einem der emotionalsten Momente meines Lebens: Ich durfte ihn zum Sifu des Wing Tsjun ernennen.
Dieser Augenblick – wie so viele andere – ist auf unserem SummerCamp-Video 2023 auf YouTube für immer festgehalten.
In jüngerer Vergangenheit wagte Sifu Niko einen weiteren großen Schritt:
Er zog an den Bodensee und arbeitete dort beim Ordnungsamt.
Trotzdem kam er immer wieder nach NRW zurück – und es gab sie weiterhin, die legendären Kaffeerunden mit vielen schönen Gesprächen.
Soweit ich weiß, war er dort sehr glücklich. Er genoss die Nähe zu den Bergen – ein Thema, von dem er immer wieder mit leuchtenden Augen sprach.
Gestern ist Sifu Niko bei einem tragischen Motorradunfall ums Leben gekommen.
Er hinterlässt ein tiefes Loch.
Uns – der gesamten Wing-Tsjun-Gemeinschaft – und mir ganz persönlich bleiben unzählige Erinnerungen an einen wunderbaren, herausfordernden, liebevollen, ungestümen, emotionalen, unbequemen und doch immer zutiefst herzlichen Freund.
Ich werde dich nie vergessen, Niko.
Danke, dass du Teil meiner Reise warst.
In tiefer Verbundenheit,
dein Sifu
Obituary – Niko Parlamentas
Many years ago, I received a call from a completely unfamiliar number.
When I answered, I heard a voice say:
"Thommy? This is Niko. I'm a friend of Marcus, and Marcus says you've got some skills. I want to see if that's true. Wanna meet up and do a bit of sparring?"
To be honest, I was slightly taken aback – and to this day, I still wonder why I agreed.
I had already heard of Niko: he had a reputation as a tough bouncer and a feared instructor at a nearby Wing Chun school.
So, with mixed feelings, I headed to the meeting point – the Langenfeld Wing Tsjun Academy.
There he was: tall, muscular, bald – with a cheeky grin on his face.
We didn’t waste any time and agreed to test each other in a free Chi Sao session.
After a few minutes, he had a split lip, then a swollen nose – and was having an outrageous amount of fun.
As things got a little more intense, he suddenly stopped, grinned, and said:
“Okay, okay, okay – you’re a good man! Where can I sign up?”
He would go on to tell this quirky story over and over in the years to come – and we grew close.
He, the big, strong Niko, became affectionately known to me as “my little kangaroo” – and that’s exactly how he would introduce himself to me from then on.
Few people could contribute to our WTI community the way Niko did – with his enormous heart, complex personality, irresistible charm, and exceptional willingness to help.
He won the hearts of everyone lucky enough to see past his sometimes rough exterior.
Our international Summer Camp crew will also fondly remember him – “MORE POWER!!!”
To me, he became a close friend – someone you could truly talk to, especially when things weren’t going well.
What impressed me most about him was his unshakable fighting spirit – and his ability to forgive.
Where others might retreat or avoid problems, Niko always sought an open conversation – at least with me.
I don’t remember all the details, but there was a time when he was unhappy with how I had handled a situation.
Instead of getting offended or talking behind my back – both of which I’ve experienced plenty in my role as head of the Wing Tsjun International organization – he picked up the phone and called me.
We met up, and he told me directly what he thought about my behavior.
But that wasn’t the end of our friendship – it deepened it.
I had the chance to reflect on what he said, apologize – and he not only accepted my apology but never brought up the topic again.
On the contrary: from that point on, we worked more closely than ever.
As the head instructor of the WT Academy in Haan, he taught generations of Kung Fu students.
He guided many kids all the way to Junior Black Belt – and beyond.
He did everything for his students – so much so, that many of them still lovingly refer to him as their “adoptive dad.”
Niko was known for casually stopping by the WTI Head Office for a coffee – so often, in fact, that I eventually had to jokingly ask him to cut back a bit, reminding him that we did need to get some work done there.
So instead, he began visiting my parents regularly – much to their delight, right up until the end.
Then came the shock: Niko had cancer.
That difficult time changed him in many ways. He became more reflective.
It wouldn’t have been Niko, though, if he hadn’t flipped cancer the middle finger and beaten it — and that’s exactly what he did. Even though that time must have been unimaginably difficult for him.
After his recovery, we spent around two years in front of the camera together during the COVID era — as part of our WT Master Class.
Together, we taught Wing Tsjun enthusiasts from all over the world.
This commitment led to one of the most emotional moments of my life: I had the honor of awarding him the title of Sifu of Wing Tsjun.
That moment — like so many others — was captured forever in our 2023 Summer Camp video on YouTube.
In more recent years, Sifu Niko took another big step:
He moved to Lake Constance and began working for the local public order office.
Still, he often returned to his home region — and the legendary coffee meetups with wonderful conversations continued.
As far as I know, he was truly happy there. He loved being close to the mountains — a subject he spoke about often, and always with a sparkle in his eyes.
Yesterday, Sifu Niko tragically lost his life in a motorcycle accident.
He leaves behind a deep void.
For us — the entire Wing Tsjun community — and for me personally, countless memories remain of a wonderful, challenging, loving, impulsive, emotional, sometimes difficult, but always deeply warm-hearted friend.
I will never forget you, Niko.
Thank you for being part of my journey.
With heartfelt connection,
Your Sifu
Organizer
Georgios Dagos
Organizer
Ratingen, Nordrhein-Westfalen