
Zurück ins Leben: Hoffnung für Julia (Post COVID)
Donation protected
Stell dir vor, du bist Ende dreißig und dein ganzes Leben kommt dir im Laufe eines monatelangen Leidensweges Stück für Stück abhanden, jegliche Pläne und Träume, jegliche Freuden und Banalitäten des Alltags, jegliche Möglichkeit, Interessen nachzugehen oder auch nur irgendeine Form von Selbstwirksamkeit zu erfahren.
Stell dir vor, du verlierst schubweise immer mehr Kraft und Ausdauer, immer mehr körperliche Fähigkeiten, bis du irgendwann nicht einmal mehr selbstständig essen und trinken kannst, vollumfänglich auf Unterstützung deines Partners angewiesen bist. Kognitiv bist du bei grundsätzlich klarem Verstand immer weniger leistungsfähig, gleichzeitig nimmt die Reizempfindlichkeit stetig zu, bis irgendwann keinerlei Ablenkung jenseits der eigenen Gedankenwelt mehr möglich ist. Zuletzt hast du im Jahr 2022 einen Blick auf dein Handy oder ins Internet geworfen, bist deinen Hobbys nachgegangen, hast etwas gelesen oder nur mal ein Hörbuch gehört. Von den Resten eines Soziallebens hast du dich schon lange verabschiedet, selbst mit den wenigen verbliebenen Bezugspersonen kannst du nur noch begrenzt kommunizieren, kaum mehr als ein paar Minuten am Tag.
Stell dir vor, dass jede kleinste auch unbewusste Überschreitung der immer enger werdenden Grenzen zu einer tage- oder wochenlangen, mitunter einer dauerhaften Verschlechterung deines Zustands führen kann, ganz egal, ob die Überlastung körperlich, kognitiv oder auch emotional war, negativ wie positiv. Im eigentlichen Moment merkst du dabei meist gar nichts von einer Überlastung, kannst diese wenn überhaupt erst im Nachhinein als Auslöser identifizieren, kann die zugrunde liegende Belastungsintoleranz doch noch mit bis zu 48 Stunden Verzögerung zuschlagen. Die Angst davor wird also zu deinem stetigen Begleiter, keine vorsichtige Aktivitätssteigerung, kein längeres Gespräch, kein eigentlich freudiger Familienbesuch bleibt davon unberührt.
Stell dir vor, dass du mit dieser Symptomatik auf medizinischer Seite mit ganz viel Unwissenheit und Hilflosigkeit, mitunter auch mit Herablassung und Ablehnung konfrontiert wirst. Stell dir vor, du gibst alles, um dir dein Leben zurückzuholen, machst dich schlau, investierst viel Zeit und tausende Euro aus eigener Tasche, kämpfst dich nach jedem Rückschlag durch zäher werdende Erholungsphasen, die dann doch wieder aus heiterem Himmel mit einem „Crash“ enden, landest immer wieder brutal an einem noch schlechteren Ausgangspunkt als zuvor. Und gerade in diesen Momenten, wenn du dringend Zuspruch und Nähe bräuchtest, ist jedes Gespräch, sind selbst aufbauende Worte zu anstrengend, kannst du die Berührungen, mitunter selbst die Anwesenheit einer lieben Person im selben Raum nicht ertragen.
Stell dir vor, du bist irgendwann an dem Punkt, an dem du 24 Stunden in völliger Dunkelheit liegen und Gehörschutz tragen musst, weil sensorische Reize nicht mehr zu ertragen sind. In grausamer Monotonie liegst du bei vollem Bewusstsein jeden einzelnen Tag weitgehend reglos im Bett, hast nicht genug Kraft, um selbstständig zu essen und zu trinken, bist rund um die Uhr abhängig von Unterstützung, ohne zu wissen, wie weit es noch abwärts, ob es überhaupt irgendwann mal wieder in nennenswertem Umfang aufwärts gehen kann.
Ich kann mir all das ehrlich gesagt immer noch nicht annähernd vorstellen, auch wenn ich es hautnah miterlebt habe bzw. nachwievor jeden Tag miterlebe. Aber genau das ist das sogennante Leben meiner Julia, die nach einer COVID19-Infektion im Juni 2022 (zu dem Zeitpunkt dreimal geimpft) schwer an Long / Post COVID erkrankt ist, in der schlimmstmöglichen Ausprägung, die dem schon länger bekannten ME/CFS entspricht.
Etliche Bemühungen um medizinische Behandlung in einer spezialisierten Ambulanz oder Uniklinik blieben bis heute erfolglos, im Rahmen zwischenzeitlich erforderlicher Krankenhausaufenthalte wurden wir mit Ahnungslosigkeit (im besten Falle), aber leider auch mit Ignoranz („Kann ja sein, dass es so etwas exotisches wie dieses Long Covid wirklich gibt, aber wir diagnostizierten lieber erstmal das, was wir kennen.“) oder arroganter Herablassung konfrontiert („früher haben sie alle auf Burnout gemacht, jetzt ist es halt Long Covid.“). Mit diesem Schicksal sind wir offensichtlich nicht allein, außerdem wird die Versorgungslage dem Bedarf nicht annähernd gerecht.
Dabei will meine Frau einfach nur wenigstens ein kleines Stück ihres Lebens zurück, will wieder arbeiten, ihren Hobbys nachgehen, sich überhaupt wieder mit irgendetwas beschäftigen können, mal wieder ein Buch lesen, etwas kochen oder auch nur mal ein richtiges Gespräch führen, ohne Angst vor eventuellen Folgen haben zu müssen.
Und tatsächlich gibt es neben dem Prinzip Hoffnung einen ganz realen Hoffnungsschimmer:
Mit der Immunadsorption kristallisiert sich in Forschung und Praxis ein Verfahren als vielversprechender Therapieansatz auch für schwer Betroffene heraus. Ein Therapieansatz, der meine Frau überhaupt erstmal wieder in eine Situation versetzen könnte, aus der heraus eine langfristige Genesung möglich werden kann.
Leider beginnt man in Politik und Forschung erst jetzt, wo es in Folge der Pandemie allein in Deutschland hunderttausende neue ME/CFS-Betroffene gibt (weltweit geht man von 17 Millionen aus), die Versäumnisse von Jahrzehnten nachzuholen, weshalb es wohl noch lange dauern wird, bis entsprechende Therapiemöglichkeiten im regulären Rahmen zur Verfügung stehen. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass wir diese Zeit haben. Davon abgesehen, dass neben den krankheitsbedingten Symptomen der Organismus auch durch die lange Bettlägerigkeit weiter abbaut, ist dieses Dahinvegetieren bei vollem Bewusstsein etwas, das niemand auf Dauer aushalten kann.
Seit vor anderthalb Jahren klar wurde, dass meine Frau Long bzw. Post COVID hat, tun wir alles in unserer Macht stehende, um ihr zu helfen, um unser immer weiter verschwindendes Leben irgendwie zurück zu bekommen. Seit meine Frau selbst dazu nicht mehr in der Lage ist (das letzte Mal konnte sie im Herbst 2022 einen Blick ins Internet werfen), habe ich unzählige Stunden für Recherche, Lektüre und Korrespondenz aufgewendet. Angesichts der prekären Versorgungslage und der durch die Pandemie massiv gestiegenen Anzahl an Betroffenen ist es dabei trotz aller Anstrengungen nicht gelungen, eine Anbindung an eine der wenigen spezialisierten Einrichtungen zu erhalten, das höchste der Gefühle waren Plätze auf Wartelisten.
Finanziell haben wir deshalb bereits jetzt gut 15.000 € in bzw. gegen diese Krankheit investiert. Im Frühjahr 2023 hat meine Frau nach vielversprechenden Studienberichten eine mehrwöchige hyperbare Sauerstoffbehandlung und Kältetherapie in Münster gemacht. Als wir diese trotz klar positiver Entwicklungen nach einem (aus anderen Gründen verursachten) Crash abbrechen mussten, haben wir eine mobile Druckkammer für den Heimgebrauch angeschafft (die leider noch ungenutzt herumsteht, da sich der Zustand nicht zuletzt aufgrund katastrophaler Krankenhaus-Erfahrungen so rapide verschlechterte, dass der Einsatz bisher nicht in Frage kam – wir hoffen sehr, dass diese nach der Immunadsorption weiter zu einer Genesung beitragen kann). Wir haben auf eigene Kosten eine Physiotherapeutin mit Long-Covid-Expertise engagiert und die Fortbildung der örtlichen Physiotherapeutinnen aus eigener Tasche bezahlt. Gleiches gilt für ein Off-Label-Medikament und verschiedene Nahrungsergänzungsmittel, wie sie z. B. vom Chronic-Fatigue-Zentrum der Charité empfohlen werden, und die zumindest symptomatisch ein wenig Linderung/Besserung bringen.
Die Immunadsorption als möglicher Therapieansatz ist leider ebenfalls ein teures Verfahren, die Studienlage zwar bisher sehr vielversprechend, allerdings gerade erst im Entstehen – und dementsprechend noch weit davon entfernt, eine Regelleistung der Krankenkassen zu werden. Aber wegen des plausiblen Wirkmechanismus und nicht zuletzt vieler positiver Berichte aus der Praxis sind wir genau wie die direkt und mittelbar beteiligten Ärztinnen und Ärzte der Überzeugung, dass es meine Frau einen großen Schritt voran bringen kann, auf dem Weg zurück in ein lebenswertes Leben.
Ich danke euch von ganzem Herzen für euer Interesse und eure Zeit, für das Teilen und Weiterleiten dieses Aufrufs und – sofern es euch möglich ist – auch für finanzielle Unterstützung, ganz gleich in welchem Umfang.
Stephan (& Julia)
PS: Ich versuche parallel, im Rahmen eines Antrags auf einen „Individuellen Heilversuch“ eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse zu erwirken – was nach allem das man weiß wenig Aussicht auf Erfolg hat, solange die entsprechenden Studien noch nicht abgeschlossen sein. Falls wir an dieser Stelle aber wider Erwartens tatsächlich einmal Glück haben sollten, würden wir euch natürlich eine Erstattung eurer Spende anbieten. Alle nicht erstatteten Spenden oder eine eventuelle Restsumme (falls wir z. B. weniger Behandlungen und nicht den gesamten Betrag benötigen), würden wir entweder anderen Betroffenen zur Verfügung stellen, oder als Spende an die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e.V. weiterleiten.
PPS: Auch wenn diese Aktion hier mit der Familie meiner Frau abgestimmt ist, ist sie selbst nicht in der Verfassung dazu, das Ganze geschieht also quasi „hinter ihrem Rücken“. Auch deshalb bitte ich um Verständnis, dass wir hier nicht mit vollem Namen erscheinen. Solltet ihr dazu oder ganz allgemein Fragen haben, beantworte ich diese natürlich gerne über das Kontaktformular – wenn auch angesichts der Umstände vielleicht nicht immer zeitnah.
Organizer
Stephan sagt Danke
Organizer
Bad Pyrmont, Niedersachsen