Michael Mehler

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Michael Mehlers Lebensgeschichte liest sich fast wie das Drehbuch einer schlechten Vorabendserie. Ein verfrüht verstorbener Vater, zwei Onkels, die an...

Michael Mehlers Lebensgeschichte liest sich fast wie das Drehbuch einer schlechten Vorabendserie. Ein verfrüht verstorbener Vater, zwei Onkels, die an Herzinfarkt und Schlaganfall sterben, eine Mutter, die viel zu früh an Krebs erkrankt. Michaels Weg, mit diesem ganzen geballten Leid umzugehen, ist das Essen. 

Als 2012 Michaels Vater stirbt, geht es mit seinem Leben langsam, aber stetig bergab. Er verliert seinen Job, zieht wieder bei seiner Mutter ein und verbringt den größten Teil seiner Zeit zuhause und isst. Essen war schon immer eine Leidenschaft Michaels, was sich auch in den 20 Kilo widerspiegelte, die er schon seit Kindheitstagen zu viel auf der Waage hatte. Doch inmitten dessen, was er selbst als „Trauerspirale“ bezeichnet, ist Essen keine Leidenschaft mehr, sondern ein Weg, mit den ständig neuen schlechten Nachrichten in seinem Leben umzugehen. Denn nach Michaels Vater verliert er auch weitere enge Freunde und Familienmitglieder durch teils makabre Todesumstände. Michael wird depressiv, arbeitet nicht und isst. 

Ende 2018 wiegt er 266kg. Ihm fällt das Gehen schwer, denn er hat Wassereinlagerungen in Füßen und Beinen, ihm passen nur noch Schuhe in der Übergröße 53. Michael weiß, dass sich dringend etwas ändern muss. Er ist depressiv, hat Angstzustände, bewegt sich kaum und hat ein Gewicht erreicht, das er selbst kaum glauben kann. Im Adipositas-Zentrum in Velbert schlägt ihm sein behandelnder Arzt eine Magenverkleinerung vor. Doch die Krankenkasse lehnt diese direkt ab. Also stellt sich Michael auf Anraten seines Arztes persönlich in der Geschäftsstelle der AOK Velbert vor. Er passt nicht in den kleinen Aufzug und muss die eine Etage bis zu seiner Sachbearbeiterin laufen. „Als ich schweißgebadet oben ankomme, dauert es 20 Minuten, bis man einen Stuhl gefunden hat, der nicht unter mir zusammenbricht.“ Es ist eigentlich nicht lustig, doch Michael erzählt diese Episode seines Lebens mit einem Schmunzeln auf den Lippen.

Michael Mehler hält grosses T-Shirt


Natürlich ändert die AOK ihre Meinung, als sie Michael und seinen Gesundheitszustand nicht nur auf dem Papier, sondern real vor sich sieht. Im Februar 2020 unterzieht er sich dann der Magenverkleinerung. Hierbei wird 80% seines Magens entfernt. Von nun an kann Michael nur noch kleine Mengen zu sich nehmen. Doch zu seiner Verwunderung purzeln die Pfunde nicht wie zuerst angenommen. Michael verliert 20kg, doch danach passiert gar nichts mehr.

 

Michael spürt, dass etwas nicht stimmt. Als er sich eines Morgens einen Pickel auf der Brust ausdrückt und weiße Milch aus dem Pickel fließt, weiß er, dass er mit seiner Vorahnung recht hatte. „Es war, als könnte ich mich melken wie eine Kuh, die Milch floss in Strömen.“ Bei einer Blutuntersuchung werden bei Michael viel zu hohe Werte für weibliche Sexualhormone festgestellt. Und sein Arzt hat eine grausige Vermutung: Das Hormonungleichgewicht könnte durch einen Tumor ausgelöst worden sein. Michael möchte Gewissheit, doch diese bringt nur ein MRT. Michael ist immer noch schwer übergewichtig, er telefoniert sich durch ganz Velbert, bis er ein Labor mit einem MRT findet, in dem er nicht stecken bleibt. Seine Schulterbreite passt gerade so hinein, „meine Arme musste ich auf meinem Bauch verschränken, der selbst kaum in das Gerät passte. Ich fühlte mich wie in einem engen, schwarzen Tunnel.“ Doch Michael übersteht und hat bald Gewissheit: In seinem Gehirn befindet sich ein Tumor. Gutartig. Michael kann aufatmen. Und endlich hat er auch eine Erklärung für seine jahrelangen Depressionen, Angstzustände und die fehlende Gewichtsabnahme trotz Magenverkleinerung.


Michael bekommt ein Medikament, welches das Wachstum des Tumors zum Stoppen bringt und sein Hormongleichgewicht wieder herstellt. Und ab da ist es, als sei ein Knoten geplatzt. Michael will nun abnehmen, endlich gesund werden. Sich wieder frei bewegen können. Also meldet er sich im Fitnessstudio an und trainiert vier Stunden täglich. Durch den Kontakt zu einer alten Schulfreundin findet er zur veganen Ernährung und tauscht Burger und Cola gegen Falafelbowls und rote Linsen. Er lernt, sein Essen selbst zuzubereiten und auf Fertiggerichte zu verzichten. Auch zwei gute Freunde, einer ausgebildeter Ernährungsberater, der andere studierter Ernährungswissenschaftler, helfen ihm auf diesem steinigen Weg. Und die Kilos purzeln so schnell, dass Michael kaum hinterherkommt. 160kg verliert er insgesamt und ist heute muskulös, schlank und komplett gesund. Sein Tumor ist immer noch da, doch dank der Medikamente kann Michael mit ihm leben. 

Mittlerweile ist er Influencer auf TikTok, bereitet sich auf die Prüfung seiner Ausbildung zum Ernährungsberater vor und arbeitet in dem Fitnessstudio, in dem seine körperliche Transformation ihren Anfang fand. Als er vor Kurzem seinem alten Arzt aus dem Adipositaszentrum in Velbert einen Besuch abstattet, erkennt dieser ihn nicht. Denn Michael sieht nicht mehr aus wie der XXXL-Mann, der er noch vor wenigen Jahren war. Trotz Trauer um seine Mutter, die noch vor seiner großen Gewichtsabnahme den Kampf gegen den Krebs verlor, blickt Michael nur noch hoffnungsvoll in seine Zukunft. Er möchte anderen helfen, denen es so geht, wie es ihm in seinen schlimmsten Zeiten auch ging. Er möchte Menschen Ernährungspläne und Trainingsroutinen erstellen, doch vor allem ein Zuhörer sein, jemand, der sie versteht und ihnen einen Weg weg vom ständigen Essen aufzeigt.


Und Michael möchte seine Geschichte in die Welt hinaustragen. Bis zu 80 Millionen Menschen klicken seine TikTok-Videos an. Manchmal gibt es auch negative Kommentare, z.B. als jemand fragte, wie man nur so fett werden könne. „Hier spiegelt sich das Unverständnis der meisten wider. Denn für viele Übergewichtige ist Essen nicht einfach nur Essen, sie leiden an einer Essstörung, in den meisten Fällen als Folge privater Traumata.“ So, wie auch bei Michael, der innerhalb kürzester Zeit mehrere tragische Todesfälle in seinem engsten Familienkreis zu verkraften hatte. Mittlerweile nimmt Michael solche Kommentare aber nicht mehr allzu ernst. Er möchte aufklären und zeigen, dass hinter jedem Schicksal eine persönliche Geschichte steckt. Auch hinter seinem. 

Auf GoFundMe sammelt Michael aktuell finanzielle Unterstützung für seine Hautstraffungen, denn nach so einem dramatischen Gewichtsverlust leidet er an den Entzündungen, die die überhängenden Hautlappen an Oberkörper und Rücken verursachen. Unterstütze Michael auf seinem Weg!

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