Patricia Pyrka

| 5 min read Mum with son

Mitte 30 ist Patricia, als sie ihre erste Ballettstunde nimmt. Aus einem ersten Funken entwickelt sich eine langjährige und innige...

Mitte 30 ist Patricia, als sie ihre erste Ballettstunde nimmt. Aus einem ersten Funken entwickelt sich eine langjährige und innige Liebe, die Patricia zu verschiedenen Tanzschulen bringt, sie dazu anregt, ihren eigenen Blog zu starten und im Alter von über 40 Jahren zur Ballettlehrerin macht. Patricia will zeigen, dass man auch im Erwachsenenalter noch eine Disziplin erlernen und sogar richtig gut in dieser werden kann.

Sport war schon immer ein wichtiger Bestandteil von Patricias Leben. Im Kindesalter war es vor allem Laufen und Fitness, mit Anfang 20 begann sie, Eishockey zu spielen. Dies betrieb sie viele Jahre so intensiv, dass sie von Spiel zu Spiel fuhr und ihre Abende beim Training verbrachte. Erst die Geburt ihres Sohnes machte es zunehmend schwieriger, dem rigorosen Eishockeykalender standzuhalten. So hörte Patricia, bereits in ihren 30ern, auf und begann zu tanzen, denn ganz mit dem Sport aufzuhören kam nicht infrage.

Zuerst war es HipHop der sie anzog, „ein leichterer Übergang vom Eishockey zum Tanz“, sagt sie. Doch je öfter sie in der Tanzschule am Ballettsaal vorbeiging, umso mehr entwickelte sie den Wunsch, es zu probieren. Natürlich hatte sie die Bedenken, die wir Erwachsenen vermutlich alle haben, wenn wir an Ballett denken. Habe ich den richtigen Körper für einen so herausfordernden und gleichzeitig streng vorgegebenen Tanzstil? Mache ich mich nicht lächerlich? Doch Patricia überwindet ihre anfängliche Scheu und verliebt sich so ins Ballett, dass sie bald den HipHop-Tanz aufgibt.

Ballerina

Foto Credits für beide Bilder: Rolly Astrom (IG @rollyastrom)

Ihr Hintergrund als Physikerin und Sportwissenschaftlerin sowie ihre Erfahrungen als Mutter eines körperlich beeinträchtigten Sohnes helfen ihr dabei, ihr Balletttraining systematisch und strukturiert anzugehen. Sie hat Ehrgeiz und ist überzeugt, dass sie trotz ihres „hohen Alters“ beim Einstieg in den Sport ein hohes Niveau erreichen kann, wenn sie ausreichend trainiert. So widmet sie zwischen anderthalb und vier Stunden pro Tag dem Ballett und beginnt nebenbei, über ihre Erfahrungen als erwachsene Ballettanfängerin zu bloggen.

2017 führt eine neue Therapiemöglichkeit für die körperliche Behinderung ihres Sohnes die beiden nach Toronto in Kanada. Aus einem einzigen geplanten dreimonatigen Aufenthalt werden längere und häufigere Aufenthalte. Denn Patricia und ihr Sohn fühlen sich wohl hier – nicht nur die Therapie schlägt gut bei Patricias Sohn an sondern auch die kanadische Gesellschaft scheint inklusiver als die deutsche. Und da ist noch etwas, was von Anfang an Patricias Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt: Die NBS oder Canada’s National Ballet School – eine der 10 besten Ballettschulen der Welt.

Mit der National Ballet School im Hinterkopf trainiert Patricia weiter und beginnt mittlerweile auch online zu unterrichten, Schüler:innen finden zu ihr über ihren Blog und sind hauptsächlich Erwachsene wie sie selbst, die erst spät zum Ballett fanden. 2019 nimmt Patricia dann all ihren Mut zusammen und bewirbt sich für die renommierte Lehrer:innenausbildung an der . Mit dem Teacher Training an einer der besten Ballettschulen der Welt erhofft sie sich, nicht nur ihre technischen Fähigkeiten im Ballett, sondern vor allem ihre Lehrerinnenpersönlichkeit zu entwickeln. Doch der Traum platzt, denn sie wird nicht in die nächste Auswahlrunde eingeladen.

Zwar niedergeschlagen und unsicher in die eigenen Fähigkeiten als Balletttänzerin nutzt Patricia die Coronajahre, um intensiver denn je zu trainieren. Fast vier Stunden täglich übt sie, den Traum des Teacher Trainings an der Canada’s National Ballet School weiterhin vor Augen. Und als sie sich in diesem Jahr erneut bewirbt, scheint sich ihre intensive Praxis in den letzten Jahren auszuzahlen. Sie wird in die zweite Runde eingeladen und bewährt sich mit 22 anderen Bewerber:innen, alle noch in ihren Teens oder Anfang der Zwanziger, im zweitägigen Auswahlseminar. Als zwei Wochen später der Brief mit den Aufnahmedokumenten in ihren Briefkasten flattert, geht Patricias größter Traum in Erfüllung.

„Ich war bestimmt technisch weit hinter den anderen Bewerber:innen, aber zum Glück geht es bei dem Teacher Training ja auch um die eigene Persönlichkeit als Lehrende.“ Seine:n Schüler:in als ganzen Menschen zu sehen, jede Hintergrundgeschichte beim Unterricht mit einzubeziehen und so für eine einzigartige und erfüllende Stunde für jede:n zu sorgen, darum gehe es und damit habe sie sich ihren Platz inmitten der jungen Mitstreiter:innen, die allesamt Ballett bereits seit Babyschuhen praktizieren, erkämpft. „Meine Aufnahme ist auch ein Zeichen, dass sich das Ballett an einem Übergang von einem alten, hierarchischen, stark mechanischen System hin zu einem neuartigen, offeneren entwickelt.“ Hin zu einem, welches Andersartigkeit, nicht nur in Körperformen und Hintergrund sondern auch in Bezug auf das Alter, nicht ablehnt sondern willkommen heißt.

Um sich diesen Traum nun zu erfüllen, hat Patricia sich an die weltweite Gemeinschaft gewandt und eine Spendenkampagne auf GoFundMe gestartet. Denn sie selbst kann die Studiengebühren für das einjährige Training nicht aufbringen. Und während sie bereits erste Spendenerfolge erzielt hat, so betont sie, dass diese vor allem aus den USA und Kanada kommen. „Dort gibt es einfach eine viel stärkere Kultur fürs Crowdfunding für persönliche Wünsche und Träume. In Deutschland werden solche Kampagnen oft noch als „Luxus“ abgestempelt.“ Doch als Luxus sieht Patricia die Ballettlehrer:innenausbildung ganz und gar nicht. „Auch die Erfüllung unserer Herzenswünsche sind essentielle Bestandteile unserer mentalen und physischen Gesundheit.“, sagt sie. So hofft sie mit ihrer Kampagne nicht nur, die nötigen Spenden für die Canada’s National Ballet School zu sammeln, sondern auch andere Menschen in Deutschland dazu anzuregen, eigene Spendenaktionen zu starten. Vor allem Menschen mit einer ähnlichen Geschichte – Menschen, die eine Leidenschaft im Erwachsenenalter entdeckt haben und für diese nun kämpfen wollen, auch ohne die nötigen finanziellen Mittel.

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